Chor der Wallfahrtskirche Maria Straßengel

(Felix Kümmel)

 

1129 gründeten die ersten Mönche das Zisterzienserstiftes Rein. Geschichtlich gesichert ist, dass 1208 bereits eine hölzerne Kapelle am Straßengler Berg stand und darin wurde bestimmt auch das Chorgebet der hier arbeitenden Mönche gehalten  –  also seit nunmehr 800 Jahren.

 

Aus dem Jahr 1477 (etwas mehr als 100 Jahre nach der Weihe der Kirche) gibt es eine Nachricht, dass die Chorgebete in der Straßengler Kirche zur selben Zeit wie im Stifte stattzufinden hätten. Aber auch viele tausende Pilger stimmten gewiss schon in der hölzernen Kapelle und  später in der gotischen Kirche ihre frommen Gesänge zur Gottesmutter an.

 

Die erste gesicherte Nachricht über einen bestehenden Laienchor gibt es aus dem Jahr 1897. Damals trat ein junges Mädchen namens Maria Hochegger (verh. Krautstingl; Mutter des Musikanten  Martin Krautstingl (†)) in den Chor an der Wallfahrtskirche ein. Der Chor stand unter der Leitung des Oberlehrers und Organisten Anton Veigl d.Ä. In seine Zeit fällt auch die Weihe der Vorgänger­orgel (1902). Er übergab dieses Amt 1925 an seinen Sohn Anton Veigl d. J.

 

Auch der bekannte Grazer Musiker Dir. Tschauner wirkte etliche Jahre als Organist und Chorleiter. Oberlehrer Johann Schalk (†)  aus Semriach berichtete, dass er als junger Student in den 30er Jahren Sonntag für Sonntag zeitig in der Früh von Graz nach Straßengel zu Fuß zu den Messen, die um 7 Uhr bereits begannen, ging.

 

Mündliche Berichte alter Judendorf-Straßengler erzählen von großen Aufführungen aus jener Zeit. Das Notenmaterial aus dem Archiv an der Wallfahrtskirche, großteils handgeschrieben, gibt Zeugnis davon (Reimann, Diabelli, Kempter - lateinische Pastoralmessen - sehr lang - mit Orchester, Josef Haydns Orgelsolomesse, "Die sieben letzten Worte Jesu", eine Passion von Vinzenz Goller, u.a.). Bekannte Namen aus dem Ort sind als Mitwirkende in Chor oder Orchester vermerkt: die Damen Salzmann Steffi, Freistätter, Grasser Minna, Frau und Herr Felfer, die Herren Brucher Konrad, Adlassnig, Witschela, der Bäckermeister Leitner und etliche andere. Vom Jahr 1930 bis 1938 leitete Herr Dir. Ferdinand Triebel, Vater des bekannten Or­ganisten Univ. Prof. Ernst Triebel, die Geschicke des Chores.

 

Zur Primiz des Herrn Udalrich Binder im Jahr 1931 erklang eine festliche lateinische Messe für 4 Solisten, Chor, Bläserquartett, Harfe und Orgel des Grazer Komponisten Otmar Selan.

 

Dazu ein Ausschnitt aus dem „Grazer Volksblatt“ vom 25.12.1931 – Nr. 296 – 84. Jg. – Seite 23 - unter „Kirchliches

     
 

Straßengel. (Kirchenmusik.)

  Bei der Primizmesse des Neupriesters Udalrich Binder Sonntag den 27. Dezember um 9 Uhr in Straßengel gelangt die „Missa  gotica“  für Chor, Soli Bläser, Harfe und Orgel von Dr. Otmar Selan zur Uraufführung.

  Ausführende: Kammermusiker Hans Mandl – Harfe, Prof. Rudolf Weis-Ostborn – Orgel, Soli, Chor und Bläser: Kirchenchor der Wallfahrtskirche Straßengel, Leitung Dr. Otmar Selan.

 
     
 

Grazer Volksblatt“ vom 29. Dezember 1931 – Nr. 297 – 84. Jahrgang – Seite 5

     
 

Straßengel. (Kirchenmusik.)  

  Als Primizmesse für den Neupriester Udalrich Binder kam Sonntag eine „Missa gotica“ für Soli, Chor, Bläser, Harfe und Orgel von Otmar Selan zur Uraufführung. Schon der reizvolle Titel der Messe sagt an, dass sie bestimmt war in gotischem Raume zu erklingen. Keine stimmungsvollere Umrahmung und Szenerie hätte sich der Komponist schaffen können, als dieses Juwel von einem Gnadenkirchlein, dessen gotische Turmspitze gottsehnsüchtig aus seiner Waldumkränzung in den Himmel schaut. Und feinere Stimmungsmomente sind hingezeichnet, wenn nach dem in Gralsnähe weilenden Sopran-Tenor-Duett des „Et incarnatus est“ plötzlich „Stille Nacht, heilige Nacht“ hereinklingt, wie auch am Schlusse der Messe.

  Überhaupt liebt der Komponist Liederreminiszenzen, so etwa im Hosianna des Sanctus. Gelegentlich bringt er ein Fugato an und kommt wie im Gloria zu einem Mozartschen Abschluß. Vor-, Zwischen- und Nachspiele der Bläser nützen die Klangmöglichkeiten geschickt aus. Der Harfe gibt er Aufgaben zu lösen, die durchaus im Charakter des Instrumentes bedingt sind. Das Benediktus gibt zu solistischer Entfaltung aus-giebigen Platz. Ein Hinzielen auf dankbare Wirkungen durch zugängliche Melodien verbürgt denn der Messe auch den Erfolg. Trotzdem gibt es auch schwierigeres Gelände, das aber durch den Kirchenchor von Straßengel und das einheimische Bläserquartett einwandfrei bezwungen wurde.

  Prof. Rudolf Weis-Ostborn lieh seinen schönen Solotenor, wie auch sein geschmackvolles Orgelspiel der Aufführung. Lob verdient der Harfenist Hans Mandl, Lob ist selbstverständlich dem Dirigenten und Interpreten seines eigenen Werkes, Otmar Selan, zu zollen.“

 
     
 

Als im Jahr 1932 der junge Bass Johann Huber in den Chor eintrat, wurde jeden Sonntag ein Amt gesungen, so berichtete Herr Huber. Auch zum Segen am Nachmittag stellte sich der Chor oft ein. Während der Kriegszeit lag der Chorgesang etwas danieder. Die Familie Dr. Müller, sowie Frau Holzer Anna versahen den Organistendienst.

 

Nach Beendigung des Krieges begann der ortsansässige Lehrer Karl Seiler wieder mit dem regelmäßigen Orgelspiel und einen Chor aufzu­bauen. Ihm zur Seite standen die Damen Heinrich Mali, Konrad Rosa, Messek Lina, Schwarz Anna, Suppan Rosa, Stei­ner, Strobl, Zarfl Frieda sowie die Herren Huber Johann und Witschela. Leider verunglückte er schon bald tödlich. So halfen an der Orgel wieder die Familie Müller (Augenarzt Dr. Anton Müller mit Gattin und der spätere Musikschuldirek­tor Josef Maria Müller), die Gratkorner Organistin Fr. Tscherk, Herr Univ.Prof. Ernst Triebel und Oskar Pichlmaier, sowie Josef (Peppi) Schwarz aus. Die Damen und Herren des damaligen Chores sangen wieder Sonntag für Sonntag ihre deutschen und lateinischen Messen, an festlichen Feiertagen unterstützt durch kleine Orchester, seien es Streicher oder Bläser gewesen.

 

Nach dem Krieg belebte der Seelsorger von Judendorf-Straßengel, em. Abt des Stiftes Rein Prälat Dr. Ernst Kortschak, selbst her­vorragender Cellist, mit Grazer Musikern die Liturgie. Zu seiner Zeit wurden in der Karwoche u. a. sogar eine Passion mit Solisten, Chor und Orchester aufgeführt. Dennoch berichtet die Chronik, dass am Ostermontag, als Scharen von Wall­fahrern erschienen, kein Organist anwesend war. Prälat Kortschak baute auch eine Kinderschola und einen Jugendchor auf. Einige Sängerinnen und Sänger sind noch heute im Chor aktiv.

 

Mit Beginn der Organistentätigkeit von Frau Reserl Eisner im Jahr 1956 (-1964) begann wieder eine kontinuierliche Chorarbeit und deutsche Gesänge und Messen er­weiterten das Repertoire.

 

In der Übergangszeit von der in Latein gelesenen Messe zur in der Muttersprache Deutsch gefeierten Liturgie wurden hauptsächlich nur kurze deutsche Gesänge von der Diözese gewünscht. So war am Beginn der Chorleiter- und Organistentätigkeit des Herrn Felix Kümmel das Proben und Singen fast nur für hohe Feiertage (8. Dezember, Weihnachten, Ostern) erforderlich. Dafür pflegte die sangesbegeisterte Kirchenchor-Jugend unter Leitung von Frau Traude Moretti und Herrn Dr. Gernot Moretti das Volkslied, den Volkstanz und die Geselligkeit.

 

Als im Herbst des Jahres 1976 der jugendliche Reiner Mönch P. Paulus Baumann, ein Ur-Bayer, mit der Seelsorge der nunmehrigen Expositur Maria Straßengel betraut wurde, war einer seiner ersten Wünsche, dass auch wieder ein ständiger Chor in der Kirche das Lob Gottes erschallen lassen möge. Und viele der älteren und jungen Sängerinnen und Sänger folgten diesem Ruf bereits 1977. Schon bald war es möglich, zu verschiedenen Festen wieder die passenden Chorwerke zum Erklingen zu bringen, Trauungen und Begräbnis­sen würdig mit Gesang und Musik zu gestalten; aber auch auf das gemütliche Zusammensitzen wurde nicht verzichtet.

 

In den achtziger Jahren erlebte der Chor eine neue Hochblüte. Gesungen wurde nicht nur zur Liturgie in Straßengel; Fahrten ins Ausland, Teilnahme an Landesausstellungen, Umrahmungen von Festen in der Gemeinde mit vielen Volksliedern, Einladungen in Pfarren der Steiermark, Teilnahme am Straßengler Christkindlmarkt und zahlreiche andere Aktivitäten geben Zeugnis von der Vielseitigkeit des Chores.

 

Einer der bedeutendsten Schritte war bestimmt der Beschluss, alle Kräfte und Mittel einzusetzen, um eine neue Orgel zu erhalten. Mehr als ein Jahrzehnt sangen und werkten die Sängerinnen und Sänger für diese große Aufgabe, Pater Paulus bat unermüdlich um Spenden und legte jeden Schilling dazu und Frau Ingrid Schwarz führte über jeden Groschen und auch viele Markscheine genauestens Buch. Auch die Marktgemeinde Judendorf-Straßengel unter Bürgermeister Richard Eigruber und die Raiffeisenkassa Judendorf-Straßengel unterstützten uns tatkräftig. Doch sei auch den vielen hundert Spenderinnen und Spendern hier nochmals gedankt. Am Sonntag, 10. September 1995, wurden die Mühen durch die Weihe einer hervorragenden neuen Orgel, gebaut von der Vorarlberger Orgelbaufirma Pflüger, gekrönt.

 

Das Chorarchiv füllte sich in den letzten 20 Jahren mit einer großen Anzahl bekann­ter Werke aus Barock, Klassik und Moderne; Werke großer Meister in Latein, aber auch schlichte Gesänge in Mundart steirischer und alpenländischer Komponisten. Choräle und Lieder aus mehreren Jahrhunderten erklingen zu Fest und Feier. Doch auch der Volksliedschatz unserer österreichischen Heimat war stets ein Anliegen des Chores.

 

In unserem Chor sangen bei Aufführungen großer Werke wie z. B. der Krönungs­messe von W. A. Mozart, etlicher Orgelsolomessen, dem Halleluja von G. F. Händel und zahlreicher anderer Werke hervorragende Solisten: Ingrid Kaiserfeld (Staatsoper Wien - Grazer Opernhaus), Susanne Storz-Frischenschlager (jetzt Landsberg am Lech, Deutschland). Jahrzehnte lang begleiteten uns als Solisten, wie schon seit Jahrzehnten, Maria Grill, Monika Hofer und Ernst Grabenwarter sowie in den letzten Jahren Ingrid Becker, Hans Auer, Herbert Rath.

 

Als instrumentale Begleitung spielt seit vielen Jahren schon das Hofmann-Quartett; Bläser unserer Trachtenmusik unter Leitung der Kapellmeister Franz Kniepeiß sen. und jun., sowie das Helmut Zmugg-Quartett geben den strahlenden Glanz.

 

Die neue Orgel spielen zur Erbauung der Gläubigen die Organistin Frau Karin Lischnig, Frau Dr. Annelies Kümmel, sowie die Organisten Herr Felix Kümmel, Herr Walter Rainwald und Franz Kümmel.

 

So gelangte der Chor mit viel Schwung und Elan ins zweite Jahrtausend.

 

Omnia ad maiorem Dei gloriam!